Globale Megatrends und gesellschaftlicher Wandel

Megatrends

Nicht erst aufgrund der aktuell herrschenden globalen Pandemie, sondern auch schon zuvor wurde das Thema der Megatrends laut. Die Futurologie beschäftigt sich schon immer mit der systematischen und kritischen wissenschaftlichen Untersuchung von zukünftigen Entwicklungen1 – speziell im Bereich der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen. Auch die Trendforschung ist Teil des Aufgabenbereiches – Zukunftsforschung Megatrends! Doch was sind aktuelle Megatrends? Was bedeutet der Begriff und welche Trends beherrschen den Wandel?

Was sind gesellschaftliche Megatrends?2

Als Megatrend werden besonders tiefgreifende und nachhaltige Trends der Gesellschaft beschrieben. Dabei bezieht sich Nachhaltigkeit hier nicht auf die Umwelt, sondern darauf, dass man die Auswirkungen der Veränderungen mindestens 25-30 Jahre spürt – man beschreibt sie mit einem epochalen Charakter; die Blockbuster der Veränderungen. Hauptsächlich beziehen sich diese Veränderungen auf den gesellschaftlichen und technologischen Bereich. Um jedoch unter die Kategorie Megatrends zu fallen, müssen jegliche Lebensbereiche davon betroffen und eine langfristige Prägung für Wirtschaft und Gesellschaft vorhanden sein.

Mit dieser Langfristigkeit und dem Durchdringen von Zivilisationsformen, Technologien, Ökonomie und Wertesystemen bilden die Megatrends also das komplette Gegenteil zum kurzfristigen Konsum der Produkt-, Mode- und Zeitgeisttrends.

Da die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse einen globalen Charakter aufweisen – also eine weltweit spürbare Veränderung (wenn auch nicht unbedingt gleichmäßig ausgeprägt) – und stark miteinander verbunden sind, kann man hier von einer Interdependenz vieler Trends sprechen. Eine exakte Abgrenzung aller Trends voneinander ist daher nicht definierbar – sie gehen oft ineinander über.

Insbesondere in der Zukunftsforschung geht es also in Bezug auf die Megatrends und die mitschwingenden Veränderungen nicht um eine exakte Vorhersage der Zukunft, sondern darum, Prozesse der Wandlung zu erkennen, diese zu verstehen und sie anschließend zu deuten.

Welche Megatrends gibt es?

Veränderungen herrschen permanent auf der Welt. Die COVID-19 Pandemie hat einige davon gestärkt und andere nicht nur gewaltig ausgebremst, sondern teilweise sogar einen Richtungswechsel bewirkt3. Aktuell sind 12 Megatrends bekannt, von welchen wir hier sechs näher erläutern werden.

Megatrend Konnektivität4 5

Der Trend der Konnektivität beschreibt wohl ein neues Kapitel der Evolution: die Netzwerkgesellschaft. Soziokulturelle Codes werde re-programmiert und es entstehen sowohl neue Verhaltensmuster als auch Lebensstile.

Beim Megatrend connectivity geht es allerdings nicht um die Weiterentwicklung bestehender und Erfindung neuer Technologien, sondern hauptsächlich um den digitalen Aufbau einer Gesellschaft, von Vertrauen und Sicherheit – Zentrum sind kulturelle und soziale sowie wirtschaftliche Aspekte.

Dieser Trend verändert unsere Wirtschaft zu einer Neujustierung wirtschaftlicher Erfolge und verursacht einen Human Turn hin zur Real-Digitalität. Ein erstmaliges Zusammenspiel beider Dimensionen ist zu beobachten; eine Vernetzung basierend auf digitalen Infrastrukturen.

Auch die Pandemie hat hier ihre Finger im Spiel gehabt, denn aufgrund von Corona musste persönlicher Kontakt virtuell werden und die Digitalisierung wurde schlagartig von einem fernen Zukunftskonstrukt zur unverhofften Gegenwart.

Megatrend Silver Society6 7

Die Silver Society bezieht sich – wie der Name schon vermuten lässt – auf die ältere Bevölkerung. Über die letzten Jahrzehnte hinweg wurden die Menschen nicht nur älter, sie blieben auch länger gesund und fit, woraufhin von einer neuen Phase im letzten Drittel des Lebens die Rede ist.

Eine längere Lebenszeit bietet nicht nur ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten, sondern auch ein neues Level an Selbstverwirklichung; es bildet sich eine neue soziokulturelle Vitalität. Eine vitalere Gesellschaft hat auch zur Folge, dass ältere Menschen an Relevanz gewinnen und die Deutung von „Alter“ und „altern“ plötzlich eine positivere Konnotation bekommt.

Über den Einfluss von Corona auf diesen Trend herrschen gespaltene Meinungen. Die einen berichten, dass der Trend nicht nur ausgebremst, sondern gar zurückgeworfen wurde, da „Alter“ plötzlich ein Synonym für „Risikogruppe“ geworden ist. Zwar stimmt die andere Partei hier zu, jedoch wird dieser Effekt als etwas Positives gedeutet, da aufgrund der Pandemie die Relevanz der älteren Bevölkerung hervorgehoben wurde. Es wurde alles daran gesetzt, insbesondere den älteren und gefährdeten Teil unserer Gesellschaft zu schützen, wodurch ein neues Level an Wir-Gefühl entstanden ist.

Megatrend Individualisierung8 9

Die Individualisierung ist generell ein zentrales Kulturprinzip der westlichen Welt. Aktuell ist jedoch eine globale Entfaltung zu beobachten und in vielen Teilen der Welt wurde Individualisierung bereits in der Gesellschaftsstruktur etabliert. Dabei werden hauptsächlich Wertesysteme, Konsummuster und die generelle Alltagskultur geprägt. Das Zusammenspiel von Freiheit und Verantwortung wird wichtiger – Work-Life-Balance und New Work.

Jedoch hat, wie jeder Trend, auch der Megatrend Individualisierung einen Gegentrend. Dieser lautet Wir-Kultur. Das Verhältnis von Ich und Wir bekommt eine neue Gewichtung; die Bedeutung von Gemeinschaft wächst. Zukünftig wird sich das Ich co-individuell mit dem Wir entwickeln, was bedeutet, dass das Ich im Kontext von Beziehungen betrachtet wird – ohne Wir kein Ich.

Der Gegentrend der Wir-Kultur wurde insbesondere durch die Krise gefördert, da kaum etwas wichtiger als Gemeinschaft und Solidarität war. Somit hat die Pandemie den Shift zur Post-Individualisierung befeuert. Aktuell bleibt unklar, wie sich der Trend weiterentwickeln wird.

Megatrend Neo Ökologie10 11

Insbesondere in der aktuellen Zeit von Klimawandel und Nachhaltigkeit, darf der Trend der Neo-Ökologie nicht außen vor gelassen werden. Umweltbewusstsein ist nicht nur alltäglich, sondern zu einem individuellen Lifestyle geworden. Globale Werte, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Politik – alles muss sich peu à peu anpassen.

Es haben sich neue Mindsets bezüglich der generellen gesellschaftlichen Werte gebildet, unternehmerisches Handeln musste eine neue Richtung einschlagen und die aktuelle Fast-Fashion-Konsumgesellschaft wird grundlegend hinterfragt.

In der Neo-Ökologie geht es nicht darum, von allem ein bisschen weniger zu machen oder zu konsumieren, sondern Verhaltensmuster zu hinterfragen und diese klüger zu gestalten. Die heranwachsende Generation (Generation Global) schafft sich ihre eigene nachhaltige Welt mithilfe von progressivem Pragmatismus, während sie sich für eine gerechtere Wirtschaft einsetzen.

Auch hier verdeutlicht insbesondere die Pandemie, dass wir Menschen die Natur nicht kontrollieren können und ein Umdenken erforderlich ist – lieber gestern als morgen. Corona hat die Neo-Ökologie insbesondere durch Entschleunigung und Nachhaltigkeit geprägt.

Megatrend Wissenskultur12 13

Auch unser allgemeines Wissen wächst – das hat uns der Trend der Wissenskultur gezeigt. Der globale Bildungsstand ist so hoch wie noch nie zuvor und weiterhin steigend. Insbesondere durch die Konnektivität und die Globalisierung hat sich unser Umgang mit Informationen verändert; Wissen hat seinen elitären Ruf verloren und ist zum Allgemeingut geworden.

Auch unsere Wirtschaft bekommt das zu spüren, denn Lifelong Learning und Open Knowledge regieren den Berufsalltag.

Auch hier hat die Pandemie nicht an Einfluss gespart und hat unser Bildungssystem mit einer unverhofften Schnelligkeit digitalisiert, mit der niemand gerechnet hat. Kooperative und dezentrale Strukturen sowie neue Denkmuster wurden gefördert und Innovation bekam endlich Einzug in unser gesellschaftliches sowie wirtschaftliches Leben.

Megatrend Mobility14 15

Unsere Einstellung zu Mobilität und Verkehrsmitteln verändert sich. Allein in den Städten: Straßenspuren werden zu Fahrradwegen, E-Scooter stehen von verschiedensten Anbieter:innen an jeder Ecke, Car-Sharing Modelle werden vermehrt genutzt, die Nutzung der ÖPNV steigt und Lastenräder ersetzen nicht selten den Autobesitz.

Der stetig wachsende Bedarf an Mobilität fördert auch die Vielfalt an Möglichkeiten, die sich Leute einfallen lassen, um von A nach B zu kommen. Die Gewichtung von Erlebnis, Gesundheit und Nachhaltigkeit werden auch beim Thema Mobility neu austariert und gewinnen an Gehör.

Doch der Trend wurde von Corona ziemlich ausgebremst. Geschlossene Grenzen und eingeschränkte Infrastruktur führten nicht nur zur Entschleunigung: man spricht von einer Vollbremsung. Die Ansichten verändern sich, denn erst wenn alles stillsteht, wird uns bewusst, was Mobilität eigentlich bedeutet und welchen Stellenwert sie in Bezug auf die individuelle Freiheit einnimmt.

Forscher:innen haben zu diesem Trend verschiedene Zukunftsthesen. Eine davon ist die zunehmende Bedeutung von Fahrrädern. Die Anzahl der Autos in Städten sinkt; mehr Wohnraum; neue öffentliche Räume, die das städtische Leben neu aufblühen lassen. Eine andere These verfolgt den Ansatz, dass der individuelle Besitz an Wichtigkeit verliert. Menschen würden somit zukünftig darauf verzichten, beispielsweise Autos ihr Eigen zu nennen und stattdessen auf hypermobile Alternativen (z.B. Car-Sharing) umsteigen. Somit stiege nicht nur die Flexibilität, sondern ebenfalls die Vielfältigkeit der pragmatischen Fortbewegung.

Wie jedoch anfänglich erwähnt, waren dies nur sechs der zwölf Megatrends – die Weiteren folgen. Um jedoch bereits im Vorhinein alle Trends zu kennen und auch deren Interdependenzen genau analysieren zu können, bietet die Trendmap Zukunftsinstitut den idealen Einblick. Diese Karte veranschaulicht alle Megatrends und deren komplexe Verbindungen, zeigt Subtrends und jegliche Überschneidungen.16

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