„Digitalization“ hier, „digitizing“ da. „New Work“ und „Tranformation of Workforce“. Wer behält denn da noch den Überblick? Unser Arbeitsalltag ist umgeben von ständigem Wandel und zunehmender Technik. Debatten darüber, ob Maschinen und Technik menschliche Arbeit substituieren und Diskussionen, ob der Wandel nicht eine Grenze überschritten hat, durchfluten die Medien. Doch wie sieht der digitale Wandel aus? Was bedeutet Digitalisierung? Wer ist davon betroffen? Und welche psychischen Konsequenzen birgt die Transformation?
Die Arbeitswelt veränderte sich mit jeder Revolution, die die Menschheit bisher durchlebt hat. Von der ersten industriellen Revolution im 18. Jahrhundert bis heute haben vier wirtschaftliche Revolutionen stattgefunden. Seit Beginn der 90er Jahre befinden wir uns also im Wandel des 21. Jahrhunderts – der Arbeit 4.01. Der schnellen Verbreitung von Computern und Internetanschlüssen geschuldet, wurde die vierte industrielle Revolution eingeleitet und hat bisher kein Ende gefunden2. Seitdem rückt die Welt immer mehr zusammen. Distanzen werden irrelevant und Sprachdifferenzen lassen sich durch Simultanübersetzungsprogramme überwinden. Der internationale Kontext gewinnt an Bedeutung und Raum, was nicht zuletzt der Digitalisierung geschuldet ist. Gesellschaftliche Diskurse über Industrie 4.0 als Leitbegriff für den Digitalisierungsschub im Bereich der Wirtschaft rücken in den Vordergrund3 und verbreiten sich dank internetbasierter Automatisierung rasend schnell weltweit. Wer nicht rechtzeitig auf den Zug aufspringt, scheidet wirtschaftlich gesehen aus dem Wettbewerb aus. Es geht darum Neues zu erkennen und schnellstmöglich daran anzuknüpfen, um die Wirtschaftlichkeit des eigenen Unternehmens voran zu bringen.
Altes hat sich stets bewährt, doch nun ist Zeit für Veränderungen. Bei der Digitalisierung der Arbeitswelt spricht man davon, Fremdorganisation und standardisierte Arbeitsverhältnisse durch flexible Selbstorganisation zu ersetzen – kein Wunder, dass so manch einer mit dieser Umstellung anfänglich überfordert ist. Plötzlich ist alles anders, denn man kann nicht gerade davon sprechen, dass die Arbeitswelt gut auf den sich anbahnenden Wandel vorbereitet war4. Die Grundbausteine des Unternehmens verändern sich: Produkte werden zu „smart products“, Produktionsprozesse zu „smart factory“ und die Anforderungen an Angestellte und Führungskräfte werden hochgeschraubt. Denn, manche Arbeiten können ab jetzt auch von Computern oder sogar künstlichen Intelligenzen (KI) übernommen werden5.
Digitalisierung beschreibt ein allgegenwärtiges Konstrukt aus immerwährend neuen Veränderungen aller bislang bekannten Strukturen6. Jedoch muss zwischen der rein technischen Veränderung („digitizing“) und dem Wandlungsprozess („digitalization“)7 an sich unterschieden werden. Hier wird hauptsächlich der Transformationsprozess behandelt und die daraus resultierenden psychischen Folgen für Beschäftigte, welche der Einführung unbekannter Technologien geschuldet sind.
Zu diesen digitalen Technologien zählen vor allem Computer/ Laptops, verschiedene Software Angebote, das Internet, Smartphones/-watches, Tablets, visuelle Verarbeitungsprogramme sowie Text- und Audiodateien. Außerdem kommen stets neue, hochentwickelte Technologien dazu wie beispielsweise künstliche Intelligenzen, autonome Systeme, „Wearable Computing“ (dt. tragbare Datenverarbeitung), Roboter und „Augmented Reality“ (dt. erweiterte Realität)8 hinzu.
Arbeit 4.0 wird im internationalen Rahmen auch „New Work“ genannt. Der Schwerpunkt bei dieser Veränderung liegt in den individuellen Freiheiten der Arbeitnehmer:innen, durch zeit- und ortsunabhängige Arbeitsmöglichkeiten und bildet somit den Grundbaustein einer globalen Vernetzung9.
Das Outsourcing von Prozessen und Aufgabenbereichen an ortsunabhängige Freelancer wird zum Tagesgeschäft – denn warum den Zeitaufwand einer Wissensaneignung betreiben, wenn man mit externen, temporären Mitarbeitern flexibel auf Marktschwankungen reagieren kann? Ein Zugriff auf endloses Know-How und das bei einer gleichzeitigen Optimierung von Zeit- und Kostenaufwand10. Klingt nach dem idealen System – oder?
PSYCHISCHE BELASTUNGSFAKTOREN IM KONTEXT DER DIGITALISIERUNG IM UNTERNEHMEN
So fortgeschritten und global vernetzend die Digitalisierung und die Revolution Arbeit 4.0 auch sein mögen, umso mehr werden sie und ihre Entwickler:innen kritisiert. Prozesse, die nicht nur digital unterstützt, sondern gänzlich digitalisiert werden, gehen meist mit der Rationalisierung von Personal einher. Maschinen ersetzen also wortwörtlich Teile menschlicher Arbeit. Für manche klingt das eher nach einem schlechten Film als nach der Realität. Doch Zeiten ändern sich. Maschinen und innovative Technologien beschleunigen und präzisieren die meisten Prozesse, in denen sie eingesetzt werden. Doch was bedeutet es für Arbeitnehmer:innen, wenn eine Maschine oder ein Roboter den eigenen Job besser ausführen kann? Mit steigender Digitalisierung und Transformation im Unternehmen steigen ebenfalls die Anforderungen an den Lebenslauf, denn qualifiziertes Personal wird stets gebraucht, um beispielsweise die Arbeit der Maschinen zu prüfen beziehungsweise zu korrigieren11. Selbstverständlich birgt der ansteigende Leistungsdruck eine immense psychische Belastung12. Kann ich mit dem technologischen Wandel noch mithalten? Wird mein Job als nächstes substituiert? In manchen Bereichen der Wirtschaft nehmen diese Fragen sicher einen größeren Teil ein als in anderen.
Die steigende Komplexität der Technologien führt oft auch zu fehlerhaftem Einsatz dieser. Die Folgen daraus umfassen unter anderem nicht nur eine sinkende Arbeitszufriedenheit, sondern mindern auch das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen13 14. Weitere assoziierte Auswirkungen beziehen sich auf Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten, mangelnde Reflexionszeiten, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, allgemeine Müdigkeit sowie körperliche und/oder emotionale Erschöpfung15.
Fehlbeanspruchungen kann jedoch mit Digitalisierungsstrategien entgegengewirkt werden, indem das Personal geschult und nicht mit den neuen Veränderungen überfordert wird. Ein schleichender Prozess als Einführungsmethode des Wandels könnte hier von Vorteil sein. Wenn genaue Anweisungen erteilt und Prozesse neu erklärt und erlernt werden, kann man so manchen negativen Aspekt in eine positive Veränderung beziehungsweise einen Mehrwert verwandeln. Mehr Flexibilität heißt auch mehr räumliche Mobilität. Pendelzeiten entfallen, das Kombinieren von Job und Familie wird erleichtert, mehr Handlungsfreiraum und individuellere Entscheidungswege16. Die „Transformation of Workforce“ wirkt sich ebenfalls positiv auf internationale Teamarbeit aus, da Kommunikation durch eine mobilisierte Nutzung der Endgeräte vereinfacht und beschleunigt wird. Denn Emails schreiben ist zeitaufwendig und nicht mehr zeitgemäß. Kooperationen mit Unternehmen aus der ganzen Welt sind plötzlich weder ein Hindernis noch eine Seltenheit.
Sicherlich werden Unternehmen und Beschäftigte aufgrund stets neuer Kommunikationstechnologien und modernisierten Systemen fast täglich vor neue Herausforderungen durch Digitalisierung im Arbeitskontext gestellt17. Doch sollte man aus der Mensch-Maschinen-Interaktion nicht vor allem neue und positive Aspekte für die Arbeit von morgen ziehen? Aus heute lernen, um morgen besser zu sein? Wenn die Umstellungen erst dann eingeleitet werden, wenn der Transformationsdruck kurz davorsteht, bestehende Strukturen zu erdrücken, ist es eigentlich schon zu spät und das Risiko der psychischen Belastung für Mitarbeitende steigt. Also warum gegen den unaufhaltsamen Wandel wehren und auf altbewährtes setzen? Jeder Wandel ist schwer zu akzeptieren und umzusetzen – aber ist er dadurch falsch?
QUELLEN
[1][3][4][5] Georg, Arno, Katenkamp, Olaf and Guhlemann, Kerstin. „Digitalisierungsprozesse und das Handeln von Betriebsräten“, vol. 26, no. 2, 2017, pp. 251-274. https://doi.org/10.1515/arbeit-2017-0015
[2][9][10][11] Personio. Von https://www.personio.de/hr-lexikon/arbeit-4-0/#1 abgerufen
[6][7][12][16] Mache, S., Harth, V. Digitale Transformation in der Arbeitswelt und psychische Gesundheit. Zbl Arbeitsmed 70, 180–184 (2020). https://doi.org/10.1007/s40664-019-00369-3
[8] Gimpel H, Lanzl J, Manner-Romberg T et al (2018), Eine Befragung von Erwerbstätigen zu Belastung und Beanspruchung durch Arbeit mit digitalen Technologien. In: Hans Böckler Stiftung (Hrsg) Forschungsförderung Working Paper. Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf
[13] Tarafdar M, Tu Q, Ragu-Nathan TS et al (2011) Crossing to the dark side: examining creators, outcomes, and inhibitors of Technostress. Commun ACM 54:113–120
[14] Tarafdar M, Tu Q, Ragu-Nathan BS et al (2007) The impact of Technostress on role stress and productivity. J Manag Inf Syst 24:301–328
[15][17] Lee Y, Chang C, Lin Y et al (2014) The dark side of Smartphone usage: psychological traits, compulsive behavior and Technostress. Comput Hum Behav 31:373–383