Was man nicht hat, will man umso mehr. Wer seit Monaten zuhause im Homeoffice steckt, sehnt sich nach Büro und Kaffeeküche. Und diejenigen die an Bürozeiten gebunden sind, nach Homeoffice. Doch welche Folgen und Chancen liegen in der Telearbeit? Können unser soziales Leben sowie die Wirtschaft ein positives Outcome aus der Krise ziehen?
Seit Anfang 2020 ist das Leben, wie es uns bisher bekannt war, wie auf den Kopf gestellt. Die COVID-19-Pandemie beschert eine wahrhaftige Public-Health-Herausforderung und verändert alles Bisherige grundlegend – privat sowie wirtschaftlich. Staatliche Auflagen und Kontaktbeschränkungen, geschlossene Grenzen und Ausgangssperren, Homeoffice statt Bürobesuch. Begriffe, die in der Vergangenheit fast schon Fremdwörter für uns waren, bestimmen heute unseren Alltag. Doch was geschieht mit Menschen, wenn der Alltag zur Belastungsprobe wird?
Die Arbeitswelt wurde fast gänzlich umgekrempelt. Denn geht nicht, gibt’s nicht. Wo viele Arbeitgebende bisher dem Homeoffice einen Riegel vorgeschoben haben, steht Homeoffice mittlerweile ganz oben auf der Tagesordnung. Die am Anfang des Jahres veröffentlichten Verordnungen der Bundesregierung scheinen Früchte zu tragen, denn mittlerweile arbeitet fast jeder Vierte Deutsche von Zuhause aus1.
Man spricht von einer „Homeoffice Pflicht“, doch was genau bedeutet das für den Einzelnen? Laut den Verordnungen der Regierung sind alle Unternehmen dazu verpflichtet, da wo es möglich ist, Homeoffice anzubieten. Jedoch ist es für die Beschäftigten nicht verpflichtend, diese Option wahrzunehmen2. Ein Wirrwarr aus ständig neuen Regelungen und Gerüchten. Was kann man da noch alles glauben? Und was genau ist eigentlich Homeoffice? Birgt diese Veränderung auch zukünftig neue Chancen?
HOMEOFFICE DEFINITION
Das Homeoffice definiert sich auch als räumliche Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse. Der Deutsche Duden beschreibt den Begriff zum Beispiel wie folgt: „[Ein] (mit Kommunikationstechnik ausgestatteter) Arbeitsplatz im privaten Raum; [Eine] Form der Arbeit von zu Hause aus“3.
Doch abgesehen von der offiziellen Definition scheiden sich hier die Geister. Manch einer mag das Homeoffice als Chance ansehen, während andere es fast schon als Strafe wahrnehmen, da jeglicher persönlicher Kontakt zu anderen ausbleibt. Keine gemeinsamen Mittagspausen; kein Kaffeeklatsch auf den Fluren. Medizinisch betrachtet, wird das Homeoffice aufgrund des Corona Virus als elementar zur Eindämmung der Pandemie eingestuft, da durch das Ausbleiben sozialer Kontakte das Infektionsrisiko minimiert wird4. Doch wie gesund ist die Telearbeit für den Einzelnen wirklich?
VOR- UND NACHTEILE FÜR DIE GESCHÄFTSWELT
Für viele bedeutet das Arbeiten von Zuhause aus, endlich Familienleben und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Auch Pendler:innen dürften sich über die vereinfachten Homeoffice Möglichkeiten freuen5. Endlich mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben: Die Familie. Doch was passiert, wenn alle Familienmitglieder tagtäglich zuhause bleiben, während Schulen geschlossen und Arbeitsplätze in den privaten Bereich verlegt werden?
Plötzlich werden Homeoffice & Homeschooling zur Alltagsherausforderung – doch ist die Kombination überhaupt möglich und sinnvoll? Oder leiden am Ende die Psyche, familiäre Beziehungen und die Arbeitsqualität darunter? „Eltern brauchen eine Perspektive“ beklagt Familienministerin Franziska Giffey in einem Interview6. Unter der enormen Belastung aus Homeoffice & Homeschooling leidet nämlich nicht nur die Bildung und die Motivation der Kinder. Sondern der ständige Spagat zwischen Kinderbetreuung, Lernstütze und Telearbeit strapaziert ebenso die elterlichen Nerven, insbesondere bei Alleinerziehenden.
Doch auch für Arbeitgebende und Unternehmen ist die Homeoffice Situation keine einfache. Sicherlich bringt eine Verlagerung der Arbeitsplätze in den privaten Raum auch eine Kostenreduktion mit sich, doch wie sinnvoll ist Erspartes, wenn die Leistung und Psyche der Beschäftigten unter der Situation leiden7? Führungskräfte aller Art werden vor eine neue Herausforderung gestellt, denn die bisherigen Arbeitsrichtlinien sind gesetzlich noch nicht an die neue Situation angepasst. „Umfragen [haben] ergeben, dass zwar 77 Prozent der Befragten der Ansicht waren, das Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. […] Allerdings hatten demnach auch 60 Prozent der Befragten den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen“8. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Homeoffice zu unbeabsichtigter Mehrarbeit9 führt, stehen Staat sowie Unternehmen vor einem gewaltigen Problem. Der Schutz aller Arbeitnehmenden muss gegeben sein – doch wer kümmert sich um neue Regelungen, wenn es größere Krisen zu bewältigen gibt?
Trotz dem ein oder anderen negativen Aspekt darf das Homeoffice nicht in ein falsches Licht gerückt werden. Denn die Arbeit von Zuhause bringt ebenfalls gesundheitsfördernde Aspekte mit sich. Durch eine gut funktionierende „Work-Life-Balance“ kann die Arbeitszufriedenheit erhöht, die Motivation gesteigert und die Leistungen gleichzeitig verbessert werden10. Eine Dysbalance kann jedoch umso fataler für den Arbeitsprozess sein. Denn durch die räumliche Trennung wird der direkte Informationsfluss meist gestört und es entsteht ein Gefühl fehlender Integration in den Alltag des Unternehmens, worunter ebenfalls oft die Kreativität leidet11. Doch alle kreativen Köpfe kennen das Problem, wenn einen die kreative Muse kurz verlässt. Meist hilft schon ein kurzer Kaffee auf dem Gang oder ein Austausch mit den Kolleg:innen, um die kreative Ader wiederzubeleben. Doch was, wenn soziale Kontakte ausbleiben und man Tag ein Tag aus in den eigenen vier Wänden sitzt?
Der Unterschied zwischen Segen und Fluch mag in diesem Fall im Zwang liegen. Homeoffice so wie es am besten passt? Gerne! Aber gezwungenermaßen monatelang von Zuhause aus arbeiten? Der ursprünglich angedachte „Homeoffice Sprint ist [nämlich] mittlerweile [zu einem] Marathon geworden“12. Kaum jemand wäre einer flexiblen Mischform aus Homeoffice und Bürotagen abgeneigt, denn eine hybride Form würde vielen Menschen das Leben erleichtern. Doch aufgrund der unerwartet lang andauernden Situation steigt das Risiko zur sozialen Isolation stetig. Je mehr ein Individuum vom Rest der Welt, insbesondere von sozialen Kontakten, abgeschirmt ist, desto höher steigt das Stresserleben. Mit zunehmender Arbeitszeit läuft ein Unternehmen sowie die Beschäftigten Gefahr, in eine Abwärtsspirale der Arbeitsunzufriedenheit zu fallen13. Ganz unten angekommen können sogar bleibende psychische Schäden entstehen.
EIN ENTGEGENWIRKEN DER ABWÄRTSSPIRALE IM BERUFLICHEN ALLTAG
Um genau dieser Situation entgegen zu wirken, ist vor allem Zusammenarbeit gefragt. Führungskräfte müssen ad hoc neue Konzepte zur Leitung und Koordinierung der Beschäftigten erarbeiten sowie eine angemessene Homeoffice Ausstattung zur Verfügung stellen, denn ohne diese sind neue Konzepte überflüssig. Ein funktionierender und abrufbarer Technischer Support (IT Service) ist somit unverzichtbar14. Die technische Ausstattung sowie eine adäquate Kommunikationstechnologie müssen eingeführt, implementiert und erklärt werden. Denn ein funktionierender Informationsfluss fördert das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen.
Außerdem gewinnt die soziale Unterstützung ab heute die Oberhand. Ohne die Möglichkeit visuell und unmittelbar miteinander kommunizieren zu können, kann die digitale Zusammenarbeit im Unternehmen nicht gelingen. Denn Emails schreiben ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Oft wird auf regelmäßige virtuelle Teamsitzungen und Konferenzen gesetzt. Ebenfalls besteht die Möglichkeit an Employee-Assistance-Programmen beizutreten, sich eine betriebliche Sozialberatung zu Hilfe zu holen oder an Online-Schulungen zum gesundheitsförderlichen Umgang mit der Arbeit im Homeoffice teilzunehmen15.
HOMEOFFICE NACH CORONA
Neue Regelungen für alle – schön und gut. Doch was bringt die gezwungene Umstellung mit allen unmittelbaren Folgen, wenn in Zukunft alles wieder so wird, wie es war – bezogen auf die digitale Arbeitswelt? Wird das Homeoffice nach der Pandemie bestehen bleiben? Denn trotz Globalisierung und Digitalisierung der modernen Welt und Wirtschaft lässt sich sagen, dass die Nutzung der digitalisierten Arbeitswelt bisher eher schleppend verläuft16. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, denn Experten erwarten zukünftig mehr vom Homeoffice17.
Abgesehen von den negativen Aspekten, muss man dem Homeoffice jedoch auch große Chancen für die Zukunft einräumen. Durch die vermehrte Beschäftigung in Homeoffice Anstellungen könnte die regionale Verteilung von Beschäftigungsmöglichkeiten flexibilisiert werden, was gleichzeitig zu einer Entlastung der städtischen Verkehrsinfrastruktur beitragen würde18. Bei einer solchen Beschäftigungsmöglichkeit könnte ebenfalls ein berufsbedingter Umzug vermieden werden, was zukünftig eine Senkung von Mietpreisen und Preisen für Bauland in Ballungsräumen zur Folge haben könnte19.
Aber wie genau geht es weiter? Wie lange hält die aktuelle Situation noch an? Was kommt noch alles auf uns zu? Manche Sachen ändern sich glücklicherweise nie: Es bleibt spannend.
QUELLEN
[1][4][8][17] Böckler-Stiftung. (16. 02 2021). tagesschau. Von https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/jeder-vierte-im-homeoffice-101.html abgerufen
[2] Bundesregierung Deutschland. (27. 01 2021). Bundesregierung. Von https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/verordnung-zu-homeoffice-1841120 abgerufen
[3] Duden. (2020). Duden. Von https://www.duden.de/rechtschreibung/Homeoffice abgerufen
[5][7][9][16][18][19] Garnadt, N., Schnitzer, M., & Viete, S. (25. 09 2020). Räumliche Flexibilisierung durch zunehmende Homeoffice-Nutzung. Wirtschaftsdienst: Journal for Economic Policy, S. 661-666.
[6] Giffey, F. (17. 02 2021). Homeoffice und Homeschooling gehen nicht zusammen. (A. Zschocher, Interviewer)
[10][11][13][14][15] Lengen, J.C., Kordsmeyer, AC., Rohwer, E. et al. Soziale Isolation im Homeoffice im Kontext der COVID-19-Pandemie. Zbl Arbeitsmed (2020). https://doi.org/10.1007/s40664-020-00410-w
[12] Hefer, C. (18. 12 2020). VersicherungsJournal.de. Von https://www.wiso net.de/document/VERS__55208cd7d4090e05d04aed20848e7e9623c3c69d abgerufen